Fermentierte Gemüse – probiotisch und gourmetverdächtig

Fermentieren (milchsauer vergären) ist neben Trocknen und Salzen eine uralte Konservierungsmethode. Von Kaiser Tiberius ist bekannt, dass er auf seinen langen Reisen zum Schutz vor Darminfektionen immer einige Fässer Sauerkraut mitnahm.

Fermentierte Gemüse

Unsere Vorfahren waren gute Beobachter und nutzten die Vorteile der spontanen Milchsäuregärung instinktiv. Milchsäurebakterien sind an der Oberfläche vieler Lebensmittel zu finden. Bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad wandeln die Mikroorganismen unter Luftabschluss Kohlenhydrate in Milchsäure um – eine Spontangärung kommt in Gang. Dies kennen wir nicht nur von unbehandelter Milch, sondern auch von Sauerkraut, milchsauren Gurken oder auch Sauerteig. Fermentierte Gemüse sind durch diese Edelgärung hervorragend Low Carb geeignet: Die etwa vier bis sechs Gramm Kohlenhydrate, die im frischen Weißkraut vorhanden sind, werden nahezu komplett umgebaut, sodass Sauerkraut fast kohlenhydratfrei ist.

Fermentierte Gemüse werden nicht erhitzt, Vitamine und Vitalstoffe werden so weitgehend erhalten. Gleichzeitig bilden sich durch die Arbeit der Milchsäurebakterien aber neue Substanzen wie Acetylcholin, verschiedene Enzyme, Vitamin C und B12 sowie Milchsäure. Die Fermentation dient demnach nicht nur der Konservierung, sondern ist ein Reifungs- und Veredelungsprozess.

Pathogene Keime im Darm werden gehemmt, die gesunde Darmflora wird gefördert. Die Verfügbarkeit von Eisen wird erhöht. Ob Milchsäurebakterien Krebs verhindern können, ist umstritten. Der Schweizer Naturarzt Dr. Vogel berichtet jedenfalls über gute Erfahrungen mit natürlicher Milchsäure (z.B. Molke) bei den verschiedensten Krebsarten. Die „Kuhl Schutzkost“ ist eine besonders für Krebskranke entwickelte Milchsäurediät, bei der das Zellatmungssystem durch den Verzehr von rohem Sauerkraut, Joghurt und milchsauren Säften gestärkt werden soll.

Aber nicht nur Weißkraut kann in Form von Sauerkraut fermentiert werden. Nahezu alle heimischen Gemüse eignen sich hervorragend: besonders die Kohlsorten Blumenkohl, Brokkoli, Wirsing, Rotkraut, Kohlrabi sind bestens geeignet, aber auch Karotten, Gurken, rote Rüben, Zwiebeln, Sellerie, Bohnen, Rettich, Tomaten.

Vor allem in Bioläden werden vermehrt fermentierte Gemüse angeboten. Auch der gute alte Gärtopf erlebt eine Renaissance.

Wer diesen nicht zur Hand hat, kann seine ersten Versuche auch gut mit Schraubgläsern mit Twist-Off-Deckel machen.

Zutaten für Fermentierte Gemüse in Gläsern:

  • Für ein 1-Liter-Gefäß:
    • ca. 800g gewaschenes, geputztes Gemüse und 10g (2 TL) Meersalz, ev. Gewürze
  • Für einen 10-Liter-Gärtopf:
    • ca. 8 kg Gemüse und 50-60g Meersalz
  • Beispiel für Gemüsekombinationen:
    • Gurken mit Zwiebeln, Knoblauch, Meerrettich, Dill, Senfkörnern, Estragon, Nelken, Koriander
    • Gurken, Paprika, Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch mit Rosmarin, Salbei und Lorbeerblatt
    • Kohlrabi mit Estragon, Pfeffer und Dill
    • Weißkraut mit Knoblauch, Wacholder, Kümmel

Zubereitung:

Gemüse fein schneiden, hobeln oder raspeln. In einer Schüssel mit Salz bestreuen und gut vermischen. Kraut mit der Hand drücken oder kneten bis es weicher wird und etwas Saft austritt. Nun wird das Gemüse abwechselnd mit Gewürzen ins Gärgefäß gegeben und festgedrückt. Lassen Sie oben etwa ein Fünftel frei.

Die Oberfläche kann auf Wunsch mit Blättern (Kohl, Wein, Johannisbeeren) abgedeckt werden und mit Kieselsteinen (oder im Gärtopf mit einem Brettchen) beschwert werden. Giessen Sie abgekochtes, auf Handwärme abgekühltes Wasser zu, bis das Gemüse vollständig mit Flüssigkeit bedeckt ist. Wenn Sie ein wenig Sauerkrautsaft zugeben, können Sie sicher sein, dass die richtigen Bakterien rasch an die Arbeit gehen.

Die Gläser fest mit sauberen Schraubdeckeln verschließen und abgedunkelt bei 20 bis 25 Grad stürmisch gären lassen. Das dauert etwa fünf bis zehn Tage. Die aufsteigenden Gärgase entweichen trotz Deckel und verdrängen dabei den Luftsauerstoff, der das Gemüse verderben ließe. Danach lässt man noch etwa 14 Tage bei etwas kühleren Temperaturen sanft weiter gären, um dann für vier bis sechs Wochen kühl zu stellen (Lagerkeller oder Kühlschrank ca. 0 – 10 Grad).

Das fermentierte Gemüse ist jetzt reif und bereit für die erste Kostprobe.

Als „Milchsaures“ wird meist fermentiertes Gemüse bezeichnet, es gibt aber noch eine Reihe anderer Lebensmittel, die milchsauer vergoren werden. Etwa der Brottrunk, bei dem Sauerteigvollkornbrot vergoren wird oder der dem ähnliche osteuropäische Kwass. Während man früher die Gärflüssigkeit des Sauerkrautes getrunken hat, sind milchsauer vergorene Gemüsesäfte inzwischen ein eigener Geschäftszweig: Milchsauer vergorener Karotten- und Rote Rüben Saft ist mittlerweile nicht nur in Bioläden zu finden.

In Asien ist Fermentieren als „feuerloses Kochen“ bekannt. Neben Gemüsepickles (Kimchi) werden vor allem Sojabohnen zu Sojasauce, Miso oder Tempeh verarbeitet.

Biologisch gebrautes alkoholfreies Bier wird mittels Milchsäuregärung hergestellt, sodass erst gar kein Alkohol entsteht. Der konventionelle Brauer muss den Alkohol nachträglich entziehen. Einzelne Biersorten werden zusätzlich zur alkoholischen Gärung noch mit milchsaurer Gärung veredelt, zum Beispiel das Berliner Weißbier.

Aber fermentiertes Gemüse ist nicht nur ein unschätzbar gesundes Probiotikum, das ökologisch den Vorratsschrank aufpeppt, sondern hat inzwischen auch den Einzug in die berühmtesten Gourmetküchen der Welt gefunden.

Filmtipp:

Hier ein Galileo 360° Filmbeitrag dazu: „Der Pickle Shop – Fermentiertes Gemüse“.

Literaturempfehlungen:

1. „Fermentieren – gesund und haltbar durch natürliche Konservierung“ von Dunja Gulin

Dieses Buch bietet eine umfassende Einführung in das Fermentieren von Gemüse, Milchprodukten und Getreide. Es enthält viele einfache Rezepte für Anfänger, aber auch fortgeschrittene Techniken. Der gesundheitliche Aspekt der Fermentation wird gut erklärt, ebenso wie die historischen Hintergründe.

2. „Fermentieren leicht gemacht“ von Sandor Ellix Katz

Sandor Katz ist ein Pionier in der modernen Fermentationsbewegung. Sein Buch bietet detaillierte Informationen über die Fermentation von Gemüse, Milchprodukten, Getränken und vielem mehr. Neben wissenschaftlichen Erklärungen gibt es auch viele praktische Rezepte und Tipps, um zu Hause eigene Fermente herzustellen. Das Buch gilt als eine Art „Fermentations-Bibel“.

3. „Fermentieren: Superfood für ein gesundes Leben“ von Jenny Neikell

Dieses Buch ist speziell für den Einstieg ins Fermentieren gedacht. Die Autorin stellt Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Verfügung, wie man verschiedene Gemüse und Getränke fermentieren kann. Es enthält eine gute Mischung aus Klassikern (wie Sauerkraut) und innovativen Rezepten für experimentierfreudige Fermentierer.

4. „Das große Fermentierbuch“ von Kirsten K. Shockey und Christopher Shockey

Ein sehr umfassendes Werk mit über 120 Rezepten, das nicht nur klassische Fermente wie Sauerkraut und Kimchi, sondern auch exotischere Projekte wie fermentierte Chutneys, Salsa und Aufstriche behandelt. Die Anleitungen sind sehr detailliert und gut verständlich. Auch das Fermentieren von Getränken, wie Kefir oder Kombucha, wird behandelt.

5. „Fermentieren – Milchsauer haltbar machen“ von Olaf Schnelle

Olaf Schnelle ist ein Experte im Bereich des Fermentierens und teilt in diesem Buch seine besten Rezepte für milchsauer fermentiertes Gemüse. Besonders spannend ist sein Ansatz, saisonale Gemüse aus dem eigenen Garten zu verwenden. Das Buch bietet eine gelungene Balance zwischen traditionellem Wissen und modernen Ideen.

6. „Wild Fermentation“ von Sandor Ellix Katz

Dieses Buch richtet sich an experimentierfreudige Leser. Sandor Katz geht tief auf die kulturelle Bedeutung des Fermentierens ein und zeigt, wie man eine Vielzahl von Lebensmitteln zu Hause fermentieren kann. Neben Gemüse gibt es auch Kapitel über die Herstellung von Sauerteig, Essig und sogar fermentiertem Fleisch.

7. „Art of Fermentation“ von Sandor Ellix Katz

Ein umfangreicher Leitfaden zum Thema Fermentieren, der nicht nur praktische Anweisungen gibt, sondern auch die wissenschaftlichen und kulturellen Hintergründe beleuchtet. Das Buch ist ein Standardwerk für jeden, der tiefer in die Welt der Fermentation eintauchen möchte.

8. „Kimchi: Essen mit Charakter – Rezepte und Geschichten aus Korea“ von Byung-Hi und Byung-Soon Lim

Kimchi ist eines der bekanntesten fermentierten Lebensmittel. Dieses Buch bietet eine Vielzahl von Kimchi-Rezepten sowie Hintergrundinformationen zur Geschichte und Kultur dieses koreanischen Klassikers. Perfekt, um fermentierte asiatische Spezialitäten auszuprobieren.