Der Preis des Friedens – Wege aus dem Krieg

Samstagnachmittag unter den Linden. In trauter Runde teilen wir unsere Sorgen über Gott und die Welt, insbesondere den Teil der Welt, der gerade in Schutt und Asche gelegt wird. Auch wenn der bewaffnete Konflikt im Sudan weiterhin in humanitäre Katastrophen ausartet, in Äthiopien Regierungstruppen und Rebellen das Land zerstören, in Myanmar mit seinen ethischen und politischen Zwiespältigkeiten Gewalt herrscht, in Afghanistan Sicherheit ein Fremdwort ist und in Kolumbien vom Friedensabkommen nichts zu spüren ist, so liegen uns doch der Ukraine Krieg und die Eskalationen im Gazastreifen am nächsten. Wie steht es um Österreichs Neutralität? Wie sind Deutschlands Waffenlieferungen zu bewerten? Wie ließe sich der Konflikt lösen?

Krieg in der Ukraine

In meiner Hand halte ich einen Aufkleber mit einem Zitat von Erich Maria Remarque. „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hingehen müssen.“ Und tatsächlich bin ich überrascht, dass viele Leute, selbst solche, die sich für Pazifisten halten, Waffenlieferungen als unumgänglich sehen. Deshalb möchte ich diesen Standpunkt aus psychologischer Sicht hinterfragen und alternative Wege andenken.

Waffenlieferungen mögen auf den ersten Blick als notwendige Unterstützung für die Verteidigung gegen eine aggressive Invasion erscheinen. Doch dieser Ansatz birgt Risiken, die tief in die menschliche Psyche und die Dynamiken von Konflikten eingreifen.

Der Kreislauf von Gewalt und Hass

Kriege, wie der in der Ukraine sind geprägt von tief verwurzeltem Hass, Angst und Verzweiflung. Diese Emotionen führen zu einer Entmenschlichung des Gegners und rechtfertigen in den Augen vieler die Anwendung extremer Gewalt. Jede Seite sieht sich im Recht, jede Seite sieht sich als Opfer und den Gegner als Täter.

Insofern verstärken Waffenlieferungen diesen Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt. Sie signalisieren, dass militärische Lösungen den Vorrang vor diplomatischen Verhandlungen haben, was zu einer Eskalation der Gewalt führt. In diesem Umfeld wird das Potenzial für Versöhnung und Frieden systematisch untergraben.

Der Teufelskreis der Rache

Waffenlieferungen schaffen nicht nur unmittelbare Zerstörung, sondern nähren auch langfristig das Verlangen nach Rache. Jeder getötete Soldat, jeder zerstörte Lebensraum, jeder verletzte Zivilist hinterlässt tiefe Wunden in den Seelen der Betroffenen. Diese Wunden heilen nicht durch weitere Gewalt, sondern verschlimmern sich und werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Aus psychologischer Sicht ist es von entscheidender Bedeutung, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Frieden erfordert vor allem eine radikale Entscheidung, den Verlauf der Dinge zu unterbrechen und sich dem uralten Drama von Gewalt, Vergeltung und Rache zu entziehen. Dies ist keine einfache Aufgabe, sondern erfordert enormen Mut und Entschlossenheit.

Das Unverzeihliche verzeihen

Frieden hängt nicht davon ab, dass ein korrektes Geschichtsbild vermittelt wird. Er liegt jenseits der Rechtfertigungen, die jede Seite vorbringt. Jede Seite glaubt, dass die andere unverzeihliche Verbrechen verübt hat. Tatsächlich haben das jedoch beide Seiten getan. Ein praktikabler Friedensplan erlaubt jeder Seite, die Geschichte zu behalten, die sie sich selbst erzählt. Jede Seite kann weiterhin glauben, dass sie recht hat.

Etwas anderes werden sie jedoch dem Gott des Friedens opfern müssen: Dass die anderen endlich zugeben, im Unrecht gewesen zu sein. Dass die Verbrecher auf der anderen Seite hart bestraft werden müssen. Und dass das Leid und der Schaden wiedergutgemacht werden muss.

Ein zentraler Bestandteil eines Friedensprozesses ist die Bereitschaft zur Vergebung. Vergebung bedeutet, den Wunsch aufzugeben, denjenigen, die uns Unrecht getan haben, Schaden zuzufügen. Amnestie ist die politische Entsprechung dieser Vergebung und ein Schlüssel zur Überwindung des Konflikts. Sie stellt für Kriegsverbrecher die Alternative dar zum Kampf bis zum Tod und durchbricht damit den Teufelskreis der Rache.

Vergebung ermöglicht es den Betroffenen, sich aus dem Griff des Hasses zu befreien und einen neuen Anfang zu wagen. Sie eröffnet die Möglichkeit, die Menschlichkeit des Gegners anzuerkennen und gemeinsame Lösungen zu suchen.

Krieg - humanitäre Hilfe

Alternativen zu Waffenlieferungen

Statt auf Waffenlieferungen zu setzen, könnten wir auf massive humanitäre Hilfe und friedenserhaltende Einsätze aus der ganzen Welt bauen. Diese sollten darauf abzielen, Vertrauen zu schaffen und den Wiederaufbau zu unterstützen. Dabei ist es wichtig, alle Menschen gleichwertig zu behandeln und ihnen ermöglichen, in Würde zu leben.

Ein praktischer Friedensplan könnte folgende Kernpunkte umfassen:

  1. Amnestie im Austausch für Entwaffnung: Beide Seiten stimmen einem vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand zu und erhalten im Gegenzug Amnestie.
  2. Humanitäre Hilfe und Wiederaufbau: Ein internationaler Einsatz unterstützt die Betroffenen mit Lebensmitteln, Kleidung, medizinischer Versorgung und dem Wiederaufbau von Infrastruktur.
  3. Gleichberechtigung und Würde: Alle Menschen in der Konfliktregion erhalten gleiche Rechte und Chancen, unabhängig von ihrer ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit. Dabei geht es um pragmatische und tragfähige Lösungen für die Hindernisse, die frühere Verhandlungen blockiert haben, und die Bestrebung, sich von einem Paradigma der Trennung zu verabschieden hin zu einer Zukunft, die auf Machtteilung und gemeinsamen Interessen basiert.

Die Macht der Versöhnlichkeit

Letztlich ist Versöhnlichkeit die Essenz der Friedensführung. Sie erfordert, das Ziel aufzugeben, anderen Leid zuzufügen, und stattdessen in die Zukunft zu blicken. Frieden ist möglich, wenn wir den Teil der menschlichen Natur ansprechen, der Mitgefühl, Güte und Wohlwollen ausdrückt.

Es liegt an uns, ob wir den Kreislauf von Gewalt und Rache fortsetzen oder den Mut finden, einen neuen Weg zu gehen. Dies erfordert nicht nur politische Maßnahmen, sondern auch eine tiefgehende psychologische Transformation in unseren Herzen und Köpfen.

Indem wir Bestrafung und Rache für begangenes Unrecht opfern und stattdessen auf Amnestie, humanitäre Hilfe und tragfähige Lösungen für gemeinsame Interessen setzen, können wir die Wunden der Welt heilen und nachhaltigen Frieden schaffen. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam beschreiten und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgeben.

Dies täglich üben zu können, schon bevor ein Konflikt handfest wird, in der Partnerschaft, in der Familie, im beruflichen Umfeld, in der Nachbarschaft, ist ein großer Vorteil, den sich niemand entgehen lassen sollte. Gelegenheit dazu bieten die Dialoge mit Respekt, die einmal im Monat in Lochau stattfinden.

Fragen zur Selbstreflexion

  1. Persönliche Haltung zu Konflikten und Frieden:
    • Welche Gefühle und Gedanken habe ich, wenn ich von Kriegen und Konflikten höre?
    • Welche Rolle spiele ich in meinem persönlichen Umfeld, um Konflikte zu vermeiden und Frieden zu fördern?
    • Glaube ich, dass Waffenlieferungen gerechtfertigt sind, um einen Konflikt zu lösen? Warum oder warum nicht?
  2. Menschliche Psyche und Gewalt:
    • Wie gehe ich mit Wut und Rachegefühlen in meinem eigenen Leben um?
    • Habe ich Erfahrungen gemacht, in denen Gewalt oder Rache zu weiteren Konflikten geführt haben?
    • Welche Schritte kann ich unternehmen, um in meinem Wirkkreis eine Kultur der Vergebung und des Friedens zu fördern?
  3. Vergebung und Versöhnung:
    • Was bedeutet Vergebung für mich persönlich? Habe ich bereits Situationen erlebt, in denen ich Vergebung praktiziert habe oder vergeben musste?
    • Welche Hindernisse sehe ich für mich selbst, anderen zu vergeben, die mir Unrecht getan haben?
    • In welchen Bereichen meines Lebens könnte Vergebung zu mehr Frieden und Harmonie führen?
  4. Alternativen zu Waffenlieferungen:
    • Welche praktischen Maßnahmen kann ich unterstützen oder initiieren, um humanitäre Hilfe zu leisten?
    • Wie kann ich dazu beitragen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Frieden und humanitärer Hilfe in meiner Umgebung zu erhöhen?
  5. Ethische und moralische Überlegungen:
    • Welche ethischen Grundsätze leiten meine Entscheidungen und Handlungen in Bezug auf Konflikte und Frieden?
    • Wie kann ich diese ethischen Grundsätze stärker in meinem täglichen Leben verankern?
  6. Engagement und Verantwortung:
    • Welche Rolle sehe ich für mich selbst bei der Förderung von Frieden und Vergebung auf lokaler oder globaler Ebene?
    • Welche konkreten Schritte kann ich unternehmen, um einen positiven Beitrag zu leisten?
    • Wie kann ich andere dazu inspirieren, sich ebenfalls für Frieden und humanitäre Hilfe zu engagieren?

Diese Fragen helfen Ihnen, Ihre eigenen Einstellungen und Handlungen in Bezug auf Konflikte, Frieden, Vergebung und humanitäre Hilfe zu reflektieren und konkrete Maßnahmen zu identifizieren, die Sie ergreifen können, um eine positive Veränderung zu bewirken.

Zücken Sie am besten ein Notizbuch, in dem Sie Ihre Gefühle, Ihre Gedanken und Ihr Tun festhalten und auch beobachten können, wie sie sich im Laufe der Zeit verändern.

Literatur

  1. Eisenstein, Charles. „How to Heal the Wound of Gaza.“ Charles Eisenstein’s Substack, 12. Juli 2023, https://charleseisenstein.substack.com/p/how-to-heal-the-wound-of-gaza. Abrufdatum: 28.7.2024.
  2. Aland for All. Aland for All, https://www.alandforall.org/. Abrufdatum: 28.7.2024.
  3. Remarque, Erich Maria. Im Westen nichts Neues. Berlin: Propyläen Verlag, 1928.